DIGITALE VERWALTUNG – WO STEHT DEUTSCHLAND?

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Auch 2020 befindet sich Deutschland im „Digital Economy Index“ in Bezug auf die Digitalisierung nur auf einem schlechten 12. Platz. 


Was passiert also mit Deutschland, wenn diese große europäische Volkswirtschaft über Jahre hinweg ihre Zukunftschancen verspielt?

Die Digitalisierung Deutschlands ist ein Thema, dass mich seit Jahren beschäftigt und genauso frustriert – wie wohl viele andere auch. Ein komplexes, hochsensibles Thema, das schnell zum Politikum werden könnte, wenn der Staat weiter seine Strategie des „Kopfes in den Sand stecken“ beibehält. Dementsprechend wurde es am Ende ein sehr sehr langer Blogartikel.

Es betrifft schließlich unser aller Leben: unseren Alltag in Deutschland. Tagtäglich erleben wir, wie wenig digital, wie wenig vernetzt unser deutscher Staatsapparat arbeitet.

Manchmal macht es mir sogar Angst. Denn ich überlege, was passiert mit einem Land, das eine der wichtigsten Entwicklungen der Jetztzeit nicht nur retardiert, sondern gar nicht mehr schafft, weil die so straffen Strukturen nicht überdacht werden.
Was geschieht mit der Politik? Was mit unserer Wirtschaft? Und was mit unserem Bildungssystem? 

Ein Staat, der für viele ohnehin schon wenig greifbar und weit weg vom Bürger erscheint – was wird geschehen, wenn sich dieser Staat noch weiter von dem Alltagsleben seiner Bürger entfernt? Schürt dies zu weiterer Skepsis gegenüber der Politik? Kann dies weiterer Nährboden für Verschwörungstheorien und rechtes Gedankengut werden?

Vor kurzem durfte ich einen Blick auf einige Digitalprojekte verschiedener Bundesministerien werfen und ja, ich war tatsächlich positiv überrascht! Aber, warum wissen nur ein paar Wenige, dass diese sehr sinnvollen und für den Bürger sehr nützlichen Initiativen überhaupt existieren? Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die nichts davon mitbekommen hatte.

Und so geht es in diesem Artikel um Themen, wie enormes Silodenken, sprich starres Abteilungsdenken, das jegliche Zusammenarbeit im Keim erstickt und für das Thema Vernetzung ein Fremdwort ist. Was zum Teil zur Folge hat, dass tolle Projekte lanciert werden, auf die keiner aufmerksam wird, da dies Verantwortungsbereiche einer anderen Abteilung wären.

Aber es wird auch um die Notwendigkeit einer profunden Digitalstrategie gehen, die an den Kernpunkten ansetzt und nicht willkürlich an der Oberfläche hier und da mal ein bisschen „digitalisiert“. Davon hat der Bürger nichts oder nur sehr wenig.

Deutschlands öffentlicher Dienst: Schlusslicht im europäischen Vergleich

Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen, darunter vor allem auf Government spezialisierte Experten, kritisieren seit langem, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb abgehängt wird und in der Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird. 

Der nationale Kontrollrat warnt gefühlt jedes Jahr vor der Gefahr, die eine nicht digitalisierte Verwaltung mit sich bringt. Unter anderem einen Wettbewerbsnachteil, ein Lapsus, den vor allem Gründer zu spüren bekommen. Der „undigitalisierte“ Bürokratiewahnsinn, mit Aufwänden, die gerne gleich mehrfach getätigt werden müssen, schafft derartig hohe Hürden, dass nur wenige Neufirmierungen in Deutschland stattfinden. Innovative Startups haben es hier schwer.

Und so betitelt der aktuelle Jahresbericht 2020 des Normenkontrollrats, der der Kanzlerin überreicht wurde, recht eindeutig: „Krise als Weckruf: Verwaltung modernisieren, Digitalisierungsschub nutzen, Gesetze praxistauglich machen.“ 

Jetzt, im Jahr 2020, liest sich die vom Kabinett 2017 beschlossene Agenda 2020 wie eine Farce. Gleichzeitig wurde 2017 das Onlinezugangsgesetz beschlossen, mit dem hochambitionierten Ziel, den bürokratischen Flickenteppich bis 2022 durch das Once-Only-Prinzip zu ersetzen. Demzufolge die eigenen Daten nur einmal abgegeben werden müssen.

4 Jahre später ist der Handlungsdruck nicht geringer geworden. Im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft steht Deutschland für die gesamte Digitalisierung nicht nur auf einem schlechten europäischen Platz 12, sondern im untersuchten Feld der digitalen öffentlichen Dienste, landen wir nur auf Platz 21.


„In der Dimension Konnektivität ist Deutschland bei der 5G-Bereitschaft mit einem hohen Anteil an Festnetz-Breitbandanschlüssen führend in der EU. Hinsichtlich der Abdeckung der Netze mit sehr hoher Kapazität (Very High Capacity Networks – VHCN) liegt Deutschland allerdings nur auf Rang 2"1 und damit unter dem EU-Durchschnitt. Ebenso erreicht es bei den der digitalen öffentlichen Dienste nur den 21. Platz.


In der Dimension Humankapital steht Deutschland zumindest bei den grundlegenden digitalen Kompetenzen und den grundlegenden Softwarekompetenzen an fünfter Stelle. Deutsche Unternehmen nutzen verstärkt soziale Medien, haben jedoch keine Fortschritte bei der Integration der Digitaltechnik erzielt. Bei der Nutzung von Online-Diensten belegt Deutschland den neunten Platz, da die deutsche Bevölkerung im Internet sehr aktiv ist.“


„The largest EU economies are not digital frontrunners“

Diesen Satz aus dem Bericht des Digital Index musste ich erst einmal auf mich wirken lassen. Finnland, Schweden, Dänemark und die Niederlande sind die Spitzenreiter bei der digitalen Gesamtleistung in der EU. Malta, Irland und Estland folgen direkt danach. Deutschland leider nicht. 

Dabei muss doch mittlerweile allen die Tragweite dieses Versäumnisses klar sein. Wir sprechen nicht von einem netten Gimmack oder von etwas mehr Komfort für die Bürger oder eine bessere Experience ­– auch, wenn dies dringend nötig wäre, denn der Frustfaktor geht mittlerweile ins Unermessliche. Wir sprechen hier von einem Staatsapparat, der unser aller Leben regelt. Ein Apparat, der funktionieren muss. 

Jetzt, gerade in der Covid-Pandemie, rächt sich die versäumte Modernisierung der Verwaltung. Man schaue nur auf den Missbrauch der wirtschaftlichen Soforthilfen, Verzögerungen durch Infektionsmeldungen per Fax, Zahlungsrückstau der Soforthilfen etc., etc., etc.

Dies sollte hoffentlich bei allen Entscheidern als sehr lauter Weckruf gehört worden sein. Aber wir erkennen sehr schmerzhaft beim Thema Schulwesen und in den Bildungsministerien, dass der Weckruf noch immer nicht laut genug war. Ununterbrochen verlieren sich die Entscheider in föderalistischen Diskussionen und Uneinigkeiten zu den Verantwortungsbereichen.

Man könnte ja auch meinen, dass politischen Entscheidern schlichtweg das positive Bild Deutschlands in der Welt am Herzen läge. Eine der stärksten Volkswirtschaften Europas sollte im internationalen Ranking eine Vorreiterstelle innehaben.

Doch warum fällt es unserem Land so schwer? Woran krankt es u.a.? 
Den zweiten Teil dieses Blogartikels findet sich hier: "Digitale Verwaltung – Woran krankt es"



Quellen:

  1. Nationaler Normenkontrollrat, Jahresbericht 2020, https://www.normenkontrollrat.bund.de/
  2. Europäische Kommission, Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, 2020, https://ec.europa.eu/
  3. https://www.onlinezugangsgesetz.de/
  4. https://ozg.verdrusssache.de
  5. https://egovernment-podcast.com/
  6. https://formularium.verdrusssache.de






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